Allgemeines
Im Sport ist die Schnelligkeit eine Komponente der Kondition, die wiederum Bestandteil der sportlichen Leistung ist. Ohne Schnelligkeit läuft im Kampfsport nichts, denn jede Abwehr muss mit einer gewissen Schnelligkeit ausgeführt werden, um erfolgreich zu sein, denn... Angriffe können ganz schön schnell sein!
American Kenpo ist berühmt für seine besonders schnellen Bewegungen, d.h. viele Bewegungen in kürzester Zeit. Neider gaben Kenpo schon mal die Bezeichnung "klatschende Kunst". Zugegeben, dazu kann sie ganz schnell werden, wenn man sich dem "Geschwindigkeitsrausch" hingibt und selbstzufrieden vor dem Spiegel agiert. Leider gibt es schon einige „Exemplare“ von Kenpoisten, bei denen die Bewegungen faszinieren, aber unterm Strich nur "heiße Luft" herauskommt.
Da gibt es die Geschichte von einem bekannten Karate-Meister, der Bilderbuch-Mawashis (Roundhouse-Kicks) trat und einem ehem. Lehrer von mir (damals Braungurt), mit "normal" guten Techniken. Als sich beide eines Tages gegenüberstanden und mittels halten einer Sportmatte, Roundhouse-Kicks trainieren wollten, ertönte ein beeindruckender "Sound" durch die Halle, als der Meister trat, alle sahen ehrfürchtig zu. Als mein Lehrer dran war, rauschte die erste Technik auf die Matte und der Bilderbuch-Mawashi-Mann flog gegen die Wand. Die Moral von der Geschicht? Habe immer die Wirkung im Blick!
Definition der Schnelligkeit:
Unter Schnelligkeit versteht man im Sport die Fähigkeit, aufgrund kognitiver Prozesse (Wahrnehmung), maximaler Willenskraft und der Funktionalität des Nerv-Muskel-Systems höchstmögliche Reaktions- und Bewegungsgeschwindigkeiten unter bestimmten gegebenen Bedingungen zu erzielen. Schnelligkeit ist somit eine psycho-physische Fähigkeit, die nur in solchen Bewegungshandlungen zum Ausdruck kommt, bei denen die maximale Leistung nicht durch Müdigkeit gebremst wird. Für die maximale Ausnutzung der Schnelligkeit im Sport gibt es folgende Bedingungen:
- Disziplinspezifische Fortbewegung (Bewegungstechnik) und Bewegungsaufgabe (Sportart)
- Größe des zu überwindenden Widerstandes
- Körperlicher Zustand/ Tagesform
- Individuelle Vorraussetzungen( Talent, Konstitution, Wille, Geschlecht, Alter)
- Äußere Einflüsse (Wind, Lärm, Gegner, Bodenbeschaffenheit)
"Schnelligkeit bei sportlichen Bewegungen ist die Fähigkeit auf einen Reiz bzw. auf ein Signal hin schnellstmöglich zu reagieren und/oder Bewegungen bei geringen Widerständen mit höchster Geschwindigkeit durchzuführen." (Martin)
Einteilung
Motorische Fähigkeit |
Handlungsschnelligkeit |
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Reine Schnelligkeitsformen (abhängig vom zentralen Nervensystem und genetischen Faktoren; nur kurzzeitig realisierbar, bei geringem Widerstand) |
Komplexe Schnelligkeitsformen (abhängig von den Bedingungen der reinen Schnelligkeit, der Kraft und der Ausdauer) |
Die Handlungsschnelligkeit entsteht durch ein angeeignetes Technikniveau des Sportlers. Sie lässt die Schnelligkeitsfähigkeiten optimal zum Tragen kommen. |
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Unterschieden wird meist auch in
Aktionsschnelligkeit (zyklisch, azyklisch) und Reaktionsschnelligkeit.
Die Aktionsschnelligkeit wird über die Kontraktions- und Bewegungsgeschwindigkeiten des Nerv-Muskelsystems erreicht. Die Reaktionsgeschwindigkeit ist die psychophysische Fähigkeit auf Reize und
Signale zu reagieren.
Der Qualitätsgrad einer Technik verdeutlicht sich in den Merkmalen
- der Bewegungspräzision,
- des Bewegungsrhythmus,
- der Bewegungskopplung,
- des Bewegungsumfanges,
- der Bewegungsdynamik,
- der Bewegungskonstanz und
- des Bewegungstempos.
Bei Anfängern und wenig Fortgeschrittenen gilt:
- je schneller desto ungenauer.
Günstige Voraussetzung sind die koordinativen Fähigkeiten. Die Schnelligkeit lässt sich nur schwer ohne den Zusammenhang mit der Kraft und der Geschwindigkeit beschreiben.
Beim Schnelligkeitstraining sollten (nach Martin) folgende Prinzipien beachtet werden:
-
Die Körpertemperatur muss bei
Schnelligkeitsleistungen erheblich über der Umgebungstemperatur liegen.
Es ist erstrebenswert, Körpertemperaturen von 38,5° zu erreichen, die allerdings eine systematische Aufwärmearbeit von 15 bis 30 min und den Erhalt dieser Temperatur voraussetzen. Die Leistung verbesserte sich bei Untersuchungen dadurch deutlich. - Zur Verbesserung der Schnelligkeitsleistungen gehört es, dass die Bewegungsabläufe mit großer technischer Präzision durchgeführt werden. Deshalb soll eine Bewegung (Start oder zyklische Bewegungsabläufe) erst dann schnell durchgeführt werden, wenn die richtige Technik stabilisiert ist.
- Vor jedem Schnelligkeitstraining muss die Muskulatur dehnfähig gemacht werden, um die inneren Widerstände zu minimieren. Wenn sich ein Muskel kontrahiert, muss sein Antagonist leicht dehnbar sein, um beispielsweise die Gelenkbewegung nicht zu stark zu bremsen.
- Die äußeren Trainingsbedingungen müssen zum Einschleifen schneller Bewegungsabläufe optimal gestaltet, organisiert und gesteuert werden, so dass das Training ohne Störfaktoren ablaufen kann. Die Trainingsbedingungen sollten sogar standardisiert werden, d. h. stets die gleichen sein.
- Schnelligkeitstraining sollte ständig unter den Bedingungen von Ergebnis-Rückmeldungen stattfinden, um Leistungsveränderungen genau zu erfassen.
- Schnelligkeitstraining muss hoch motiviert und mit dem Willen zur optimalen Leistung durchgeführt werden.
Schnelligkeitstraining:
Man kann die Schnelligkeit trainieren durch gezielte Übungen zur Verbesserung der Schnelligkeit, und zwar sowohl indirekt durch Training der anderen motorischen Grundeigenschaften (u.a.. Kraft, Ausdauer und Gelenkigkeit) als auch direkt durch Schnelligkeitsübungen. Das Schnelligkeitstraining folgt der Differenzierung der Schnelligkeit in Reaktionsschnelligkeit und Bewegungsschnelligkeit.
Ziele des Schnelligkeitstrainings:
- Kurze Reaktionszeit
- Beschleunigungsphasen minimieren
- Höchstmögliche Geschwindigkeiten für Einzelbewegungen, für Bewegungsfrequenzen und Fortbewegungsgeschwindigkeiten erzielen
- Schnellstmögliche Bewegungen so oft bzw. so lange wie möglich aufrecht halten
- Optimale Präzision bei Bewegungsaktionen
Training der Reaktionsschnelligkeit:
- Aufwärmarbeit vor der Belastung und Vorspannung der Muskulatur erhöhen die Reaktionsschnelligkeit
- Alle sportmotorischen Fähigkeiten trainieren
- Training, entsprechend der Vielfalt der Reaktionen auf diese, variabel halten
Training der Bewegungsschnelligkeit:
- Vorraussetzung : keine körperliche und geistige Müdigkeit
- Pausen müssen vollständige Erholung gewährleisten
- Reizdauer und Wiederholungszahl richten sich nach Beginn der Ermüdung
- Wiederholungsmethode , Ausdauertraining
- Berücksichtigung der Reaktionsschnelligkeit
- Training der drei Einflussgrößen
Schnelligkeit im American Kenpo
Schnell zu sein,
ist nicht nur das Ergebnis eines harten Trainings der Muskeln,
des Verstehens von Yin und Yang,
oder der perfekten Bewegung an sich.
Schnelligkeit entwickelt sich auch durch die Fähigkeit,
die möglichen Bewegungen des Gegners vorauszusehen.
Es gibt immer wieder viele Fragen zum Thema Geschwindigkeit und Geschwindigkeitsentwicklung im American Kenpo. Das ist auch kein Wunder, wenn man exzellente Meister wie z.B. Larry Tatum, aber auch Jody Sasaki "bei der Arbeit" beobachtet. Für viele ist es das erste, was ihnen auffällt, wenn sie zum ersten mal einen Kenpoisten beim Training sehen. Leider gerät so ein Gewitter von Techniken leicht in den falschen Hals und man redet schnell von der " klatschenden Kunst".
Im folgenden nur einige Punkte zum Geschwindigkeitsaufbau:
1.Billiard Prinziple
Man arbeitet nicht wie z.B. Im Shotokan Karate Stil mit „Punkten und Strichen“, sondern im wesentlichen mit kreisförmigen Bewegungen (siehe auch: Universal
Pattern). Man platziert eine ausführende Bewegung am Ende so, dass nicht nur ein optimaler Eigenschutz entsteht, sondern auch so, dass übergangslos die nächste Bewegung ausgeführt werden kann.
Dadurch ist es möglich Pausen zu verkleinern oder zu eliminieren!
Der Gegner hat weniger Zeit sich über
Gegentechniken Gedanken zu machen.
2.Vorausahnen der gegnerischen Bewegung
Eine weitere wichtige Komponente, die sich aber erst im Laufe der Jahre entwickelt, ist die, Schnelligkeit (Reaktionsschnelligkeit) dadurch zu
erzeugen, dass man die möglichen Bewegungen seines Gegners voraussieht. Dieses Prinzip kann aber erst greifen, wenn man nicht mehr nachdenken muss, welche Technik man wie und wann ausführt.
3. Entspannte Muskeln
Ein sehr wichtiger Faktor ist die Lockerheit der Muskeln. Es ist ein alter Hut, dass angespannte und verkrampfte Muskeln langsamer reagieren. Besonders Anfänger
haben hiermit ein Problem, da die nötige Konzentration auf viele Sachen am Anfang, fast immer auch die Muskeln verspannen lässt.
4. Direkte Techniken
Direkte Techniken, ohne große Umwege (z.B. mit weitem ausholen), verhindern nicht nur das der Gegner unsere Technik evtl. vorausahnt, sondern verkürzen auch die
„Flugzeit“ einer Technik effektiv.
Direkte Techniken haben zwar oft den Nachteil, dass man nicht 100% der möglichen Kraft übertragen kann (da der Weg kürzer ist), aber wenn man mit Vitalpunkten arbeitet, ist meist auch nur ein
Bruchteil des möglichen notwendig.
5. Prinzip des Kreises oder Rounded Corners
90°
Kurven muss man langsamer fahren als ein Kreisbogen. Bewegungslinien mit Ecken und Kanten, werden in ihrem Flow gestört.
6. Rebounding, Reaktivkraftpotential
Das wichtigste Instrument im American Kenpo Geschwindigkeit zu erzeugen!
Ist mehr
Kraft notwendig, ist es auch meist nötig weiter auszuholen. Hierbei kann man das Prinzip des „Rebounding“ nutzen, welches so effektiv sein kann, dass der längere Weg vernachlässigt werden kann.
Somit können wir uns den Luxus erlauben, durch Verlängerung des Weges die wirkende Kraft zu erhöhen, ohne Nachteile wegen der längeren Laufzeit zu haben.
Rebound kann durch zwei Möglichkeiten genutzt werden:
- durch abprallen und/ oder
- Nutzung des Reaktivkraftpotentials
Beim abprallen wirken einzelne Elemente einer Bewegung wie: die Vorwärtsbewegung und Drehung des Körpers, die Anspannung der Bauchmuskeln im richtigen Moment und noch einige andere, um die
Technik (z.B.: Outward Block), durch abprallen des ausholenden Armes vom Körper beim ausholen, sehr effektiv zu beschleunigen. Hier ist, die schon oben beschriebene Lockerheit (Beherrschung des
Yin/Yang), von großer Bedeutung.
Zur
Nutzung des Reaktivkraftpotentials wird der Dehungs- /Verkürzungzyklus der Muskulatur benutzt. Nähere Ausführungen hierzu erhältst du als Schüler in unserem Unterricht.
J
Alles was man im Training tut, dient letztendlich dem Aufbau einer schnellen Technik. Sehr wichtig ist, dass eine schnelle Technik langsam wachsen sollte!
Da gibt es aber ein Problem. Schüler sind ständig geneigt, höheren Graden nachzueifern und trainieren ihre Bewegungen und Abfolgen viel zu schnell. Geschwindigkeit kann Kraft, Timing und die
korrekte Technik kosten. Auch werden die Bewegungen oftmals zu kurz ausgeführt, so das Distanzen nicht mehr stimmen. Schaut man sich einige „schnelle“ Kenpoist mal in Zeitlupe an, so kann man
leicht erkennen, welchen Preis hohe Geschwindigkeit haben kann. Hier greift der Begriff „klatschende Kunst“, der von anderen Stilen ab und zu Verwendung findet. Kein Wunder!
Es ist klar, dass bei einer erhöhten Geschwindigkeit die Sauberkeit der Technik leidet (Toleranzen sind eingeplant), aber sie sollte noch so „sauber“ sein, dass die Wirkung der Treffer nicht
beeinflusst wird!
Wichtig beim Training ist der Flow der Technik, ist der durch Ecken und Kanten gestört, wird man eh nie mit einer schnellen Technik rechnen können.
Um mit einem Kunstflugzeug eine großartige Show machen zu können, reicht es nicht die einzelnen Tricks sauber zu beherrschen, du solltest schon wissen, wie man harmonische von einer Figur zur
anderen kommt. Denn ein Strömungsabriss kann dein Tod bedeuten.
Nachdruck, Vervielfältigung und Verwendung nach vorheriger Nachfrage, schriftlicher Bestätigung und sichtbarer Nennung der Quelle: www.kenpo-berlin.de möglich.